(Bern)(PPS) Die Zahl der Menschen, die weltweit gehandelt und ausgebeutet werden, wird heute auf rund 50 Millionen geschätzt. Mit ihnen lässt sich gemäss UNO ein weltweiter Umsatz von jährlich etwa 150 Milliarden US-Dollar erzielen. Ein beträchtlicher Teil der Finanzströme wird über die grossen Finanzzentren und damit auch über die Schweiz abgewickelt. Gesetzeslücken, mangelnde Entschlossenheit und schwierige internationale Zusammenarbeit haben es bislang verunmöglicht, diese Finanzströme zu kappen. Trotz Fortschritten steht dem Umdenken der Branche ein weiter Weg bevor.
Menschenhandel ist ein lukratives Geschäft. Die Kombination von hohen Gewinnen mit wenig Risiko hat zu einem enormen Anstieg geführt. Armut, Perspektivenlosigkeit und falsche Versprechen werden die Migrationsbereitschaft hoch halten. Der von der UNO mitgetragenen Initiative FAST (Finance Against Slavery & Trafficking) ist es dank langjährigem Dialog gelungen, die internationale Finanzindustrie für ihre Verantwortung und Rolle im Zusammenhang mit der modernen Sklaverei zu sensibilisieren. «Dies gelang vor allem in Ländern wie Kanada, den USA, den Niederlanden, Norwegen, England, Südafrika, Mexiko oder Australien, in denen die Politik das Thema als Priorität identifiziert hat», erklärt Daniel Thelesklaf, Direktor von FAST und ehemaliger Leiter der Meldestelle für Geldwäscherei in der Schweiz.
Schweiz im Hintertreffen
Gemäss Thelesklaf wird in der Schweizer Finanzbranche insgesamt ein hoher Aufwand betrieben, um verdächtige Transaktionen zu erkennen und zu melden. Es sei nun an den Behörden, die Finanzinstitute mit effektiveren Indikatoren zu versorgen; gleichzeitig müsse die FINMA sicherstellen, dass diese Indikatoren auch angewendet werden. In mehreren europäischen Ländern konnten mit diesem System Erfolge erzielt werden. Die Schweiz ist noch untätig.
Die Bank- und Amtsgeheimnisse führen mitunter zu nicht beabsichtigten, aber dennoch kontraproduktiven Ergebnissen. Thelesklaf: «Bankangestellte machen sich strafbar, wenn sie eine andere Bank darauf hinweisen, dass ein ehemaliger, des Menschenhandels dringend verdächtigter Kunde, zu ihr gewechselt hat.» In der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit sind die Hürden noch höher. So kommt es, dass sich der organisierte Menschenhandel elegant durch die Lücken des internationalen Finanzsystems schlängelt, während Opfer kaum Zugang zu Finanzdienstleistungen haben. Wollen sie Geld in ihr Herkunftsland überweisen, sind sie für solche Transfers häufig auf teure Anbieter angewiesen.
Jeder kann gegen Menschenhandel aktiv sein
Menschenhandel kann in vielen Bereichen unseres Alltags direkt oder indirekt eine Rolle spielen. Selbst wenn es noch länger dauert, bis die Finanzwirtschaft entschlossen handelt – im Alltag kann es jeder, unter Zuhilfenahme einfacher Fragen: Welche Bank zeichnet sich durch ein Engagement gegen Menschenhandel aus? Welche Unternehmen garantieren, dass ihre in der Schweiz angebotenen Produkte und Dienstleistungen ohne Sklavenarbeit erbracht werden? Welche Unternehmen gewährleisten weltweit saubere Lieferketten?
Menschenhandel ist grausam. Schweigen auch!
Unter diesem Slogan haben im 2022 zehn Organisationen eine breit angelegte Kampagne gegen Menschenhandel einschliesslich einer Grosskundgebung auf dem Bundesplatz durchgeführt. Ziel war es, die Schweizer Bevölkerung für die Problematik zu sensibilisieren und aufzuzeigen, wie sie sich gegen den Menschenhandel engagieren können. Denn die Schweiz hat noch viel Nachholbedarf.