Mehr Tempo bitte bei der Ernährungspolitik

von redaktion

Stellungnahme von Biovision Geschäftsführer Dr. Frank Eyhorn zum heutigen Ernährungssystemgipfel und den Erkenntnissen dazu für die Schweizer Ernährungspolitik.

(Zürich)(PPS) Ein wissenschaftliches Expertengremium und ein Bürger:innenrat entwickeln Empfehlungen zur Gestaltung einer zukunftsweisenden Ernährungspolitik für die Schweiz. Sie kommen zum gleichen Schluss: Die Transformation ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, für die alle Akteure in die Pflicht genommen werden müssen. Nun ist die Politik gefragt.

Frank Eyhorn, Geschäftsführer Biovision – Stiftung für nachhaltige Entwicklung

Es bewegt sich doch noch etwas in der Schweizer Agrar- und Ernährungspolitik. Nach polarisierenden, aber erfolglosen Volksabstimmungen und der Blockade einer Neuausrichtung der Agrarpolitik im Parlament zeichnete sich am ersten Schweizer Ernährungssystemgipfel ein Paradigmenwechsel ab. Fast 300 Vertreterinnen und Vertreter von Produktion bis Handel und Konsum, sowie aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Politik und Verwaltung diskutierten Vorschläge, wie eine Ernährungspolitik sinnvoll gestaltet werden kann. Das Fazit des Gipfels: Eine Win-Win-Transformation des Ernährungssystems, die Umwelt, Produzierenden und Bevölkerung gleichermassen dient, ist möglich. Damit sie auch tatsächlich stattfindet, braucht es zeitnah konkrete Massnahmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Wissenschaft und Bevölkerung kommen zu ähnlichen Schlüssen

Als Vorbereitung für den Gipfel entwickelten ein wissenschaftliches Expertengremium und ein Bürger:innenrat unabhängig voneinander umfangreiche Empfehlungen zur Ausgestaltung einer nachhaltigen Ernährungspolitik. Das Expertengremium analysierte, wo der grösste Handlungsbedarf besteht und wie die Hebel angesetzt werden müssen, um gesellschaftliche Ziele zu erreichen (s. Publikation «Wege in die Ernährungszukunft der Schweiz – Leitfaden zu den grössten Hebeln und politischen Pfaden für ein nachhaltiges Ernährungssystem»). Die Empfehlungen des Bürger:innenrates für Ernährungspolitik hingegen zeigen auf, was in einer informierten Bevölkerung mehrheitsfähig ist. Erstaunlicherweise kamen beide Prozesse zu ähnlichen Schlussfolgerungen. Beide Gremien empfehlen etwa, die Umstellung auf eine nachhaltige Produktion gezielt zu unterstützen und gleichzeitig Anreize für einen nachhaltigen Konsum zu schaffen. Durch eine Reduktion des übermässigen Fleischkonsums lässt sich dabei sogar der Selbstversorgungsgrad der Schweiz erhöhen. Angesichts der oft geringen Einkommen in der Land- und Ernährungswirtschaft muss ein Wandel des Ernährungssystems zudem sozial gerecht gestaltet werden.

Jetzt ist die Politik gefragt

Hierfür muss die Politik die nötigen Rahmenbedingungen schaffen, und zwar nicht nur auf Seite der Landwirtschaft. Der für die Land- und Ernährungswirtschaft zuständige Bundesrat Guy Parmelin betonte in seiner Begrüssungsrede, dass sich die Empfehlungen von Bürger:innenrat und Expertenpanel mit der zukünftigen Ausrichtung der Agrarpolitik decken. Das ist erfreulich. Allerdings setzt der Bundesrat einen Zielhorizont von 2050, und die mittelfristigen Massnahmen sind eher kosmetischer Natur, wie zum Beispiel eine flexiblere Handhabung des Mindesthaltbarkeitsdatums von Lebensmitteln. Statt die Transformation des Ernährungssystems auf die lange Bank zu schieben, gilt es jetzt, die vorliegenden Empfehlungen in den politischen Prozess aufzunehmen und mit den verschiedenen Akteuren entlang der Wertschöpfungskette eine zeitnahe Umsetzung auszuhandeln. Die Zeit für Verzögerungstaktiken und Grabenkämpfe ist definitiv vorbei.

Auch der Handel muss jetzt handeln

Einigkeit bestand am Gipfel zudem darüber, dass sich Produktion und Konsum nur bewegen, wenn auch auf Ebene der Grossverteiler griffige Massnahmen umgesetzt werden. Wenn Bevölkerung, Wissenschaft und zuständige Ämter unabhängig voneinander zu ähnlichen Schlüssen kommen, ist es an der Zeit, dass auch der Handel ins Handeln kommt. Nachhaltigkeit darf nicht mehr als Luxusgut positioniert werden, für welches zahlen soll, wer es sich leisten will und kann. Sie muss Grundbedingung für die Sortimentsgestaltung sein.

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